Einführung
Laut Staatsangehörigkeit bin ich Kanadierin und ich lebe in Calgary, Provinz Alberta. In den letzten zehn Jahren habe ich viel in Afrika gearbeitet und habe in zwei Projekten im Bereich des Nähens und der Schneiderei mitgeholfen: eins in Uganda, Projekt des Hlg. Franz, Gemeinde Mbarara und das andere in Ruanda, in der Schule "Pater Vjeko" im Dorf Kivumu, nicht weit weg von der Stadt Gitarame. Ich habe Programme für diese beiden Schulen erstellt und helfe ihnen immer noch. Nun unterstütze ich die Lehrer dabei, diese Programme zu erlernen und zu verbessern. Momentan beschäftige ich mich am meisten damit, so viele Bücher wie möglich und andere Materialien zu sammeln, um eine Bibliothek erstellen zu können. Ich mache diese Arbeit bereits seit 1996 als eine Freiwillige und ich reise so oft nach Afrika, wie ich es mir finanziell erlauben kann.
Die Idee dazu entstand im Januar dieses Jahres: Warum sollte man nicht einem Lehrer Schue "Pater Vjeko" die Möglichkeit geben, die Mode- und Designschule in Olds, Provinz Alberta, in Kanada zu besuchen? Grund des Besuches in Kanada wäre, dass ein Lehrer die Art und Weise des Lernens in Olds sieht und versteht. Somit könnte er dann das dort erlernte zusammen mit den anderen Lehrern in Ruanda besprechen und in der Schule gemeinsam umsetzten, sodass der Standart des Lernens verbessert wäre. Mit dieser Idee machte ich mich auf dem Weg zum College in Olds und war überrascht, als ich dort auf Sympathie und Bereitschaft zur Zusammenarbeit seitens des stellvertretenden Präsidenten für das Studium im College und der Direktorin der Abteilung für Mode und Design stieß.
Schließlich fiel unsere Wahl auf Joseph Nziroreru, der in der Schule "Pater Vjeko" als Lehrer seit 2004 tätig ist. In kürzester Zeit haben wir ihm die nötigen Dokumente besorgt und er war schon Ende Februar auf dem Weg nach Kanada.
Ein paar Worte über Joseph Nzirorera
Joseph ist 29 Jahre alt. Er hatte keine leichte Kindheit. Als Kind erkrankte er an Kinderlähmung und bewegt sich nun mithilfe von Krücken fort. Im Jahre 1983, im Alter von drei Jahren, starb sein Vater. Trotzdem schloss er die Grundschule ab, mithilfe des Priesters Pater Vjeko Curic. Während seiner Schulausbildung wohnte er gemeinsam mit sieben weiteren Jungen mit ähnlichen Krankheiten im Franziskanerkloster in Kivumu.
Im Jahre 1993 beendete Joseph erfolgreich die Grundschule und kehrte zurück in sein Dorf, Kagano Nyamasheke, in der Gemeinde Cyangugu im Südwesten Ruandas. Während des Krieges im Jahre 1994 wurde seine Mutter massakriert, weil sie dem Stamm der Tutsi angehörte. Zu diesem Zeitpunkt war Joseph 15 Jahre alt. Nach dem Krieg ging er wieder nach Kivumu um Pater Vjeko für eine neue Beinprotese und Krücken zu bitten. Danach wurde er vom priesterlichen Koch adoptiert, der auch heute noch im Kloster tätig ist.
Im Jahre 1998 wurde Pater Vjeko, der ihm geholfen hatte, in Kigali getötet. Nicht allzu lange nach Pater Vjekos Tod eröffneten die Priester die Schule "Pater Vjeko", in Gedenken an Pater Vjeko, der sein ganzes Priesterleben in Ruanda verbracht und dem armen Volk half. Die Schule hatte kein Programm und sehr wenige nützliche Materialien, Werkzeuge und Maschinen. Nach dem Abschluss der Schulausbildung, die zwei Jahre betrug, arbeitete Joseph als Schneider in der Stadt Gitarami. Im Jahre 2003 wird Pater Ivica Peric von Uganda nach Ruanda versetzt, um dort den Schulstandart zu verbessern. Ein Jahr darauf lädt er Joseph ein, einer der Lehrer in der Schule zu sein. Im Jahre 2005 wird er dann nach Uganda in die Schule des Hlg. Franz geschickt, wo ich ihn das erste Mal sah, als ich auch in Uganda war. Als ich ihn kennenlernte war ich sehr positiv überrascht über seinen Wünsch Neues zu lernen und sein Verhalten. Man konnte auch sofort erkennen, dass er sehr vielverspreched ist.
Im Jahre 2006 traf ich erneut auf Joseph, diesmal in Ruanda, wo ich kam, um an der Programmentwicklung zu arbeiten. Ich war sehr beeindruckt über das Josephs Loyalität der Schule gegenüber und der Arbeitsmoral. Er steckte sehr viel Arbeit in das Lehren und Helfen der Kinder und er war stets bereit alle Aufgaben zu erfüllen, die ich ihm erteilte.
Es gibt mehere Gründe, weshalb wir Joseph als Repräsentanten unserer Schule in Kanada ausgewählt haben. Seine eigenen Zukunftspläne sind sehr gut durchdacht und er kommt allen Verpflichtungen nach, die ihm aufgegeben werden. Ein Beispiel: allein mithilfe von Büchern und Kassetten sollte er sich Englisch beibringen - und das nur einen Monat bevor er nach Kanada reiste. Voller Enthusiasmus nahm er sich der Aufgabe an ohne zu wissen, wann und wohin genau er reisen würde.
So kam es, dass er bereits am 29. Februar im Flugzeug saß von Kigali, Ruanda, nach Calgary, danach weiter nach Nairobi, Kenia, und London. Man kann sich nur allzu gut vorstellen, wie sehr er aufgeregt war, das erste Mal in einem Flugzeug zu sitzen, kilometerhoch in der Luft zu schweben und in ein fremdes Land zu verreisen! Im Vergleich dazu reiste er in Ruanda stets mit dem Bus oder dem Auto. Ich kann ihn mir nur allzu gut vorstellen, wie er im Londoner Flughafen Heathrow dasteht und mit großen, weit offenen Augen diese Masse von hin und her laufenden Menschen und schön eingerichtete Läden betrachtend, im Hintergrund hört man immer wieder Durchsagen über Flüge und dann noch eine so große Auswahl an Essen, die er jemals zuvor sah. Man sagte mir, dass er einige Male allein durch den kompletten Flughafen spaziert ist, um das "chaotische Ambiente" zu genießen.
Joseph kam in Kalgari am 1. März an und trifft auf den kanadischen Winter. Damals sollte es schon bald Winterende sein, zumindest dachten wir das... Er verließ die warme Regenzeit in Ruanda und sah sich nun den sehr kalten Wetterbedingungen und dem Schnee ausgesetzt, die in Alberta vieles lahm legten, und es lag draußen kein Grün weit und breit in Sicht.
Nach seiner Ankunft blieb kam er für die ersten zwei Tage bei mir unter. Wir haben schon früher unsere Bekanntschaft gemacht, da ich sehr oft in Ruanda war und unser erstes Treffen sogar in Uganda war. Außerdem kannte er auch meine Tochter Jackline, die von mir in Uganda adoptiert wurde. Sie sprachen untereinander in ihren Muttersprachen. Joseph sprach Kinyarwandi und Jackline Runyakore. Auf diese Art kam er sich nicht wie ein total Fremder vor in solch einer Situation. Am Sonntag habe ich Joseph meiner Familie vorgestellt bei meiner Mutter zuhause, die in diesem Sommer 88 Jahre alt wird. Unsere ganze Familie gab ihm einen sehr großen Willkommensempfang und gab ihm zu diesem Anlass Geschenke, wie z.B.: hausgemachte Hörnchen, hausgemachte Marmelade, den er schon sehr bald "verputzte"!
Joseph im Olds College
Joseph hatte nicht viel Zeit sich nach der langen Reise zu erholen. Er musste schon am nächsten Tag im Olds College sein, das etwa 100 km nördlich von Calgary liegt, denn es war bereits Montag und die Vorlesungen fingen wieder an. Am Sonntag gingen kauften wir ihm noch die Materialien und Kleidung, die er in Olds brauchte. Verpflegung hatte er dort im Collegerestaurant und wohnte im Wohnheim für internationale Studenten, ein schön eingerichtetes Haus mit drei großen Schlafzimmern und anderen nötigen Zimmern für ein normales Leben. Zum College hatte er es nicht weit, aber jedoch mit "kleinen Problemen". Eines Tages ist er auf dem Weg zum College mit seinen Krücken ausgerutscht und im schön im Schnee "gelandet". Noch vor seiner ankunft dachten wir, der Winter wäre endgültig vorbei, aber wir hatten danach noch insgesamt drei heftige Schneefälle, so dass Joseph den Anblick genießen konnte! Er aber hatte sich niemals beklagt... nein, nich ein einziges Mal.
Olds College, Olds, Alberta
Joseph passte sich sehr schnell dem neuen Arbeitssystem an und jedermann war erstaunt mit welcher Ernsthaftigkeit er sich an die Arbeit machte. Er beteiligte sich an allen Übungen und erfüllte alle Aufgaben. Mit den anderen Studenten kam er sehr gut zurecht und sie waren alle bereit ihm in jeder Art zu helfen.
Eine Studentin namens Inuk war ganz besonders gut zu Joseph. Sie lebt im nordwestlichem Territorium, ihre Mutter ist Eskimo und ihr Vater Deutscher. Sie ist nicht nur sehr talentiert im Bereich der Kunst und Kreativität, sondern hat auch ein "warmes und goldenes" Herz. Neben ihrem Abschluss am College für Modedesign hat sie auch noch Qualifikationen in anderen Bereichen. Sie hat auch noch einen Kurs belegt für die Herstellung und Kreation von Troddelkappen für "nordamerikanische Rentiere". Das ist ein sehr renomierter Berufszweig in Nordamerika. Des Weiteren hat sie auch Kunst in Sibirien und Japan studiert. Ich hoffe, dass sie eines Tages nach Ruanda kommen und unsere Schule mit ihren Talenten fördern wird.
Joseph war herzlich willkommen vom Collegepersonal. Die Professoren haben ihm sehr viel geholfen und er war jeden Tag bereit mit ihnen außerhalb der Arbeitszeit zu arbeiten. Sie halfen ihm dabei zu sehen, wie ein Student belehrt wird und was man gleichzeitig von einem Studenten erwartet. Eines seiner Hauptgründe für seine Reise war zu sehen, wie man in Nordamerika unterrichtet und dass er dieses Strategie in Kivumu umsetzt und weitergibt.
Die Fächer, die er besuchte, waren sorgfältig ausgewählt. Er besuchte unter Anderem die Klasse des "Praktischen Nähens für Fortgeschrittene", wo man Kleidung für besondere Anlässe herstellt wie z.B. Jacken und Hosen und auch bereits gegebene Stoffe kürzt oder breiter macht. Nach diesem Kurs wurde er zum Englischkurs für weitere drei Wochen mit einer Gruppe aus Mexiko eingeladen. Diese Gruppe kam nach Olds, um Englischlehrer zu werden, wobei Englisch nicht ihre Muttersprache ist.
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In den ersten Wochen seines Aufenthaltes in Kanada hatte Joseph die Möglichkeit zu Besuch bei zwei kroatischen Missionen in Calgary und Edmonton zu sein. Er erzählte über das Leben in Ruanda und wie es in diesem Teil der Welt zugeht. Die Kroaten waren von seinen Geschichten fasziniert und gaben ihm schöne Spenden für die Schule. Er traf sehr viele Leute, die nach Kanada zogen und es im Leben geschafft haben und ihr Glück mit anderen Menschen teilen möchten.
Seine Anwesenheit in Olds hatte ziemlich großes Aufsehen erregt. Es gab sogar einen Zeitungsartikel in der Collegezeitung "Horizont" über ihn und sein Leben. Danach haben auch die Zeitungen der Stadt Artikel über ihn verfasst und in kurzer Zeit interessierten sich die Menschen für Joseph und das kleine Dorf Kivumu. Viele möchten der Schule "Pater Vjeko", Joseph und anderen, die in Not sind, helfen. Das Bedürfnis der guten Menschen ist es denen zu helfen, die weniger Glück hatten als sie selbst.
Schule war nicht das Einzige auf dem Tagesplan...
Als er nach Kanada kam, lag Ostern schon "hinter der Türschwelle". Er verbrachte die Heilige Woche in Calgary und nahm an den Feierlichkeiten der Messe und der Familie teil. Da wir eine recht große Familie sind, haben wir uns alle versammelt, um Ostern gemeinsam zu feiern. In der Zeit hat Joseph sehr viele Geschenke bekommen; einen großen Osterkorb, welcher eine traditionelle Bedeutung in meiner Familie trägt. Als er aufwachte, hatte er einen Osterhasen vorgefunden, der ihm viele Geschenke brachte.
Joseph mit seinen Geschenken zu Ostern.
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Joseph und Jackline genießen die Ostertradition.
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Joseph hatte mehrere Chancen die schönen Dinge Kanadas zu genießen. Eine Familie aus Olds, die sich mit meinen Ausländern anfreundete, wollte auch dies auch mit ihm tun. Diese Familie hat sich darum bemüht, dass er die Sehenswürdigkeiten und attraktive Dinge in Alberta zu sehen bekommt. Er besuchte das berühmte Tyrell-Museum in Drumheller sah die weltberühmte Dinosaurierausstellung und bewunderte die wunderschüne Umgebung der Museen. Er durfte sogar auf einem Pferd reiten. Für ihn war es das erste Mal, dass er ein Pferd zu Gesicht bekam. Insgesamt besuchte er eine Vielzahl an kanadischen Familien und bekam verschiedenste Mahlzeiten serviert, die er ebenso zum ersten Mal sah und kostete.
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Neulich haben wir einen großes Ereignis gefeiert. Das war der Tag, an dem meine Tochter Jackline die kanadische Staatsangehörigkeit bekam. Das geschah am 6. Juni. Die Feier war wirklich sehr bewegend. An diesem Tag waren 105 Personen aus 26 Staaten dort anwesend, um kanadische Staatsbürger zu werden. Wir waren sehr stolz darauf, diesen Tag erleben zu dürfen und es war noch schöner, da Joseph mit uns war.
Schließlich beendete er seine Ausbildung am College Anfang Juni. Ich habe ihn im Ort abgeholt, in dem er wohnte, zusammen mit den Büchern, Dokumenten, Materialien und anderen Geschenken, die er während seines dreimonatigen Aufenthaltes hier in Kanada bekommen hatte. Den Rest der Zeit, bevor er wieder seine Rückkehr antreten würde, verbrachte er in Calgary. Letzte Woche war er sehr am Computer beschäftigt, indem er das Tippen lernte. Genauso wie er es in allen Bereichen tut, konzentrierte er sich auf die Arbeit und machte sehr schnell Fortschritte. Indem er immer mehr am Computer dazulernte, war er auch irgendwann in der Lage das Internet zu benutzen und konnte somit auch langsam mit der Verbesserung des Programmes für Ruanda beginnen, durch das, was er auf dem College gelernt hatte. Am Ende versammelte sich meine Familie, um Joseph ein letztes Mal zu verabschieden.
Bevor er Kanada verlässt, wollten wir, dass er noch eine atemberaubende Sehenswürdigkeit sieht. Zwei Tage vor seinem Rückflug fuhren wir mit ihm nach Banff, um die wunderschönen "Rocky Mountains" (Gebirge) zu sehen.
Die Zeit verging sehr schnell und der liebe Joseph reiste wieder ab. Er ging zurück nach sein Ruanda und ich nehme an, dass er das Programm der Schule umso mehr versucht zu verbessern, dank des Wissens, dass er sich in Kanada angeeignete. Für uns wird es sehr interessant sein zu sehen, was er mit diesem Wissen und den Informationen zu verändern gedenkt und wie er schließlich der Schule "Pater Vjeko" helfen wird. Er war ein wahrhaft großer Botschafter seines Landes und wir sind auch sehr glücklich darüber, ihn bei uns gehabt zu haben, weil wir so viel über ihn, Ruanda und der ruandischen Kultur gelernt haben.
Ich glaube, dass viele Menschen in Kanada gesehen und miterlebt haben, was es bedeutet, schwierige Situationen im Leben zu überstehen und danach zu streben, mehr im Leben zu erreichen. Joseph hat sich durch sein Leben gekämpft, nicht nur aufgrund seiner körperlichen Behinderung und Armut, sondern auch, weil er beide Elterteile und den Priester verloren hatte, die ihn als Kind unterstützt hatten. Heute besitzt er die Kraft des Glaubens, die Fähigkeit der Geduld, Glück und die Möglichkeit im Leben weiter zu kommen, Arbeitsmoral und den Willen zum Erfolg. Es ist eine unglaubliche Inspiration jemanden zu sehen, der es im Leben so schwer gehabt hat und die Kraft besitzt, seine Zukunft voller Hoffnung zu betrachten. |