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Ruander zu Besuch in Bosnien und Herzegovina
Dienstag, 04. September 2012 Geschrieben von fra Ivica Perić

Ruander zu Besuch in Bosnien und HerzegovinaDiesmal schreibe ich nicht wie üblich aus Ruanda, sondern aus meiner bosnischen Heimat, die ich für einen Monat besuche.

Obwohl die Bauarbeiten an der Schule im vollen Gange sind und ich meinen Urlaub eigentlich verschieben wollte, haben mich diverse Einladungen aus meiner Heimat doch noch umgestimmt, die Baustelle zumindest für kurze Zeit zu verlassen und aufzubrechen.

Eine der Einladungen stammte von meiner Nichte Andreja und ihrem Verlobten Davor, die mich baten, zu ihrer Hochzeit zu kommen. Des weiteren erhielt ich in Kiseljak eine besondere Ehre: Ich bekam einen Platz auf der Gedenktafel der Gemeinde Kiseljak für „außerordentliches Engagement im Auftrag der Menschlichkeit und des Glaubens, für den Einsatz für Menschen in Not und für die Liebe zur Menschheit, durch die sowohl die Gemeinde Kiseljak, als auch das gesamte Bosnien und Herzegowina bekannt gemacht werden“.

Wie auch immer, ich bin nicht alleine nach Bosnien und Herzegowina gekommen, sondern hatte drei Ruander im Schlepptau: Bruder Fidele Nsengiyumva, ein weiterer Franziskaner, der mit mir in Kivumu arbeitet, Fortunee Mukaneza, Direktorin von einer der vier Grundschulen Kivumus, und Oswald Ngendahimana, Koch des Mönchskloster von Kivumu, der oft scherzhaft als der dienstälteste Mönch bezeichnet wird.

Sie kamen nach Bosnien und Herzegowina, um das internationale Jugendfestival in Medjugorje zu besuchen – ermöglicht von einem jungen Ehepaar aus Zagreb, das Medjugorje sehr liebt: Ksenija und Petar Zečević.

Ksenija und Petar waren letztes Jahr in Ruanda, um den heiligen Ort Kibeho zu besuchen, in dem die Jungfrau Maria gesichtet wurde – fast zeitgleich mit den Sichtungen in Medjugorje. Nach ihrer Rückkehr nach Kroatien kontaktierten sie mich und erzählten mir von ihrem Wunsch, einige Ruander zum nächsten Jugendfestival nach Medjugorje zu bringen. Schnell organisierten sie alles und informierten ihre Freunde über den Plan. Die Idee wurde sehr positiv aufgenommen und das Geld für die drei Flugtickets war schnell zusammen. Und so saßen im Flugzeug außer mir noch Bruder Fidele, Direktorin Fortunee und unser Koch Oswald.

Ich bin sehr glücklich und dankbar, dass wir in der Lage waren, die ganze Sache zu organisieren und es so den Ruandern möglich gemacht haben, zu kommen und sich anzuschauen, wie unser Volk lebt, arbeitet und andere Leute respektiert, und auch eine andere Kultur und andere Sitten kennenzulernen; eine völlig andere Lebensart...

Zusätzlich zum Besuch in Medjugorje nahmen wir sie auch mit nach Osova, um die Eltern des verstorbenen Bruders Vjeko Ćurić zu sehen, der für Ruanda gelebt und gearbeitet hat und schließlich auch sein Leben ließ.

So haben unsere Freunde aus Ruanda ihren Aufenthalt in Bosnien und Herzegowina erlebt:

Oswald Ngendahimana

Wer hätte gedacht, dass ich eines Tages die Welt sehen würde?! Als mir Bruder Ivica einige Monate vorher weismachen wollte, dass ich ihn eventuell zum internationalen Jugendfestival in Medjugorje nach Bosnien und Herzegowina begleite, war ich misstrauisch. Ich dachte es wäre unmöglich, denn für mich waren Flugtickets astronomisch teuer. Ich für meinen Teil hätte mir so etwas nie leisten können.

Aber dank einiger guter Menschen war sogar für mich noch ein Platz in diesem großen Flugzeug. Ich konnte es kaum erwarten!

Wobei... zu Beginn der Reise war ich ziemlich erschrocken. Am Flughafen in Kigali begann man mich während der Passkontrolle mit Fragen zu löchern: Wo ich hingehe und warum, wer mein Ticket bezahlt hat, ob ich denn wiederkomme...

Als Bruder Ivica das sah, kam er zurück, denn er war vor mir durch die Passkontrolle gekommen. Sie sagten ihm, dass alles in Ordnung sei, aber die Fragerei ging weiter. Es war sehr unangenehm und ich hatte Angst, dass man mir die Ausreise verweigern würde. Aber letztendlich ist es doch noch einmal gut gegangen.

Im Flugzeug begann die Aufregung dann von neuem. Zunächst einmal war es das erste Mal überhaupt, dass ich ein Flugzeug von innen sah. Ich war sehr erfreut darüber, dass jeder Passagier einen kleinen Bildschirm vor sich hatte, auf dem er Filme gucken, Spiele spielen oder Musik hören konnte. Ein Wunder! Ich war die ganze Nacht wach. Ich konnte mich gar nicht entscheiden, was ich zuerst tun sollte: Musik hören oder Filme schauen

Und dann brachte man uns Essen und Trinken! Ich durfte mich sogar entscheiden, was ich haben wollte. Ich kam aus dem Staunen gar nicht raus! Wisst ihr, da wo wir wohnen, können sich Gäste nicht entscheiden, was sie haben wollen. Es gibt nun mal, was es gibt. Punkt.

Als wir in Bosnien und Herzegowina ankamen, war ich weiterhin verblüfft: Die Landschaft ist sogar noch bergiger als in Ruanda! Bruder Ivica hat uns überall hin gebracht und uns viele Orte gezeigt. Besonders beeindruckt war ich jedoch von der Straße nach Medjugorje. Wo man auch hinsieht: Felsen, Berge, Brücken und Tunnel. So etwas hatte ich noch nie gesehen.

Ich war besonders froh darüber, dass wir die Eltern des verstorbenen Bruders Vjeko Ćurić besucht haben. Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes an seiner Seite aufgewachsen und habe von Anfang an mit ihm zusammengearbeitet, unmittelbar, nachdem die Franziskaner nach Kivumu gezogen sind.

Ich habe mich immer gefragt, warum die Brüder sich für die Mission entschieden haben, obwohl ihre Heimat so anders und so viel reicher war – von der Schönheit ganz zu schweigen. Jetzt verstehe ich ihre Menschenliebe erst so richtig, ihr Verlangen, anderen zu helfen. Denn es ist die einzige Sache, die stark genug ist, um sie in den armen Ländern Afrikas zu halten.

In Bosnien und Herzegowina waren alle sehr freundlich und warmherzig, als sie uns trafen. Ich war sehr überrascht von den Häusern, die uns als Unterkunft dienten: So etwas habe ich bisher nur in Filmen gesehen...

Etwas wie Medjugorje habe ich jedoch selbst in Filmen noch nicht gesehen. Für mich war der Glaube dieser Menschen atemberaubend – es war unglaublich: Sie gingen stundenlang barfuß, bis ihre Füße geblutet haben...

Für mich als Koch war es natürlich auch interessant zu sehen, wie Essen hier zubereitet wurde und was die Leute aßen. Aber damit könnte man ein Buch füllen! Überall wo wir hinkamen, gab es eine neue Spezialität. Alles war völlig anders als in Ruanda. Ich wollte alles probieren, aber soviel Zeit war leider nicht. Deshalb hoffe ich, dass ich vielleicht eines Tages erneut die Chance bekomme, nach Bosnien und Herzegowina zu kommen – um meine „kulinarische Forschungsreise“ fortzusetzen.

Hier gibt es keine gekochten oder gebratenen Bananen, keine Hirse, kein Maniok oder Süßkartoffeln... Allerdings hat man hier alle erdenkliche Torten, Fleischdelikatessen wie Cevapi und sehr leckere Kuchen.

Genau so unterschiedlich wie das Essen selbst war auch die Art und Weise, wie man als Gast des Hauses willkommen geheißen wurde. Beispielsweise gibt es bei uns nicht die Sitte, dass man Gästen Speisen anbietet, schlichtweg weil wir nicht genug Essen zum Teilen haben. Unsere Gäste müssen sich mit einem Getränk begnügen, in der Regel Saft oder Bananenbier.

Und in Bosnien und Herzegovina gibt es zusätzlich zu diversen Speisen noch alle möglichen Getränke. Ich habe alles sehr genossen, dennoch muss ich zugeben, dass es hart für mich war, bei dem vorgegebenen Tempo mitzuhalten. Rakia, Bier, Wein, und dann noch mal von vorne. Anfangs war ich ziemlich „lustig“, bis ich gemerkt habe, dass ich nicht alles trinken muss, was man mir anbietet, sondern nur das, was ich will.

Ich war besonders aus dem Häuschen wegen der Gastfreundschaft, die man uns überall entgegengebracht hat. Es ist toll zu sehen, dass die Menschen in Bosnien und Herzegovina so freundlich und nett sind! Soweit ich das beurteilen kann, ist es einfach nur wichtig, unter Leuten zu sein. Stammzugehörigkeiten sind hier völlig bedeutungslos. Was wichtig ist, sind Menschlichkeit und Freundschaft. Zum Beispiel trinkt man in unserer Kultur ausschließlich mit einem Freund. Folgerichtig scheint es mir als sei in Bosnien und Herzegowina jeder mit jedem befreundet!

Fortunee Mukaneza

Was mich am meisten beeindruckt hat, ist die Gastfreundschaft und Wärme des bosnischen Volkes. Ich war bereits einmal in Italien, aber da habe ich nicht so viel Nächstenliebe gespürt, wie jetzt, als ich mit Bruder Ivicas und Bruder Vjekos Leuten zu tun hatte.

Es war beeindruckend, mit wie viel Fürsorge und Hingabe sich die Frauen um mich gekümmert haben. Wenn ich Frauen sage, meine ich in erster Linie die Mütter von Bruder Vjeko und Bruder Ivica, sowie Bruder Ivicas Schwerstern. Sie haben mich behandelt, als wäre ich ihre eigene Tochter bzw. Schwester. Ich habe sehr starke Mutterliebe gespürt.

Es war einfach nur toll, wie sie mich ohne Zurückhaltung aktzeptiert haben. Es war fast schon ein bisschen komisch, denn bei uns in Ruanda wird jedes Wort in die Waagschale gelegt, man sträubt sich fast schon ein bisschen gegen zu viel Emotionalität.

Essen und Trinken waren völlig anders als bei uns. Ich habe wahrscheinlich in meinem ganzen Leben nicht so viel Fleisch gegessen wie in den wenigen Tagen in Bosnien und Herzegowina! Mein Eindruck war, dass die Menschen von morgens bis abends nur gegessen haben, nicht nur drei Mal am Tag, wie man erwarten könnte. Egal, wen man besucht, auf dem Tisch steht immer etwas fürs leibliche Wohl.

Ich war beeindruckt von Medjugorje! Dort habe ich erfahren, was Einigkeit im Glauben bedeutet. Die Gläubigen kamen aus allen Ecken der Welt und alle haben sich wie zu Hause gefühlt. Es war völlig egal woher man kam, hier gehörte man zu den Einheimischen. Der Glaube hat uns geeint. Wir Ruander haben wegen unserer Hautfarbe und unserer Flagge ein paar Blicke auf uns gezogen. Wir wurden sogar mehrmals interviewt!

Ich bin zutiefst dankbar, dass Ksenija und Petar unseren Aufenthalt ermöglicht haben. Es war eine großartige und unvergessliche Erfahrung fürs Leben!

Für mich als Lehrerin war es besonders schön zu sehen, dass jedes Kind in Bosnien und Herzegowina die Möglichkeit hat, zur Schule zu gehen. Nur ist es in Ruanda leider anders. Daher verstehe ich jetzt viel besser, was Bruder Vjekos Anliegen war und Bruder Ivica heute in die Tat umsetzt: Schulen für unsere Gemeinde Kivumu bauen.

Nur Schule und Bildung werden unseren Kindern nachhaltig helfen, denn es ist offensichtlich, dass die Basis für den Fortschritt einer Gesellschaft nur ein gebildetes Volk sein kann...

Fra Fidele Nsengiyumva

Es war unvergesslich! In Bosnien und Herzegowina wurden wir von jedem aufgenommen wie Brüder und Schwestern. Das Essen war exzellent: Trockenfleisch, alle möglichen Wurstsorten, Kuchen, Cevapi. Wir haben nichts davon in Ruanda, also war es für uns etwas völlig Neues.

Die Kirchen und sonstigen Gebäude sind schon eine Hausnummer. Der Architektur-Stil ist völlig anders als bei uns.

Bosnien und Herzegowina ist auf jeden Fall bergiger als Ruanda, und jetzt verstehe ich, warum Ivica so gerne Kurven fährt: Es muss ihn wohl an seine Heimat erinnern.

Ich konnte kaum glauben, dass so viele Menschen an einen Ort zusammenkamen um Gott zu ehren und zu preisen, wie in Medjugorje der Fall. Eine Messe an einem solchen Ort zu feiern, war eine ganz neue Erfahrung für mich. Ich war froh, gemeinsam mit ca. 500 Priestern zu feiern. Das alles hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Besonders verblüfft war ich von Fröhlichkeit dieser demütigen und respektvollen Menschen.

Erst jetzt sehe und verstehe ich, was für Opfer Missionare bringen müssen, wenn sie hierher kommen um uns zu helfen. All diesen Wohlstand hinter sich zu lassen und nach Afrika zu ziehen, ist ein großes Opfer.

Ich danke jedem, den wir getroffen haben und denen, die uns die Reise nach Bosnien und Herzegowina überhaupt erst ermöglicht haben. Besonders danken möchte ich dem Vorstand des bosnischen Franziskaner-Ordens, Bruder Lovro Gavran, dessen Garantiebrief uns sehr dabei geholfen hat, unsere Visa zu kriegen.

Übersetzt von Ivo Ligeti

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